Ken Wilber, love and evolution, 2010
Was ich zuerst über Liebe sagen möchte ist, dass es sich dabei nicht nur um eine menschliche Emotion handelt, sondern um eine metaphysische Kraft. Es ist Eros, der die Evolution antreibt. Es ist das von dem Dante sagt, dass es die Sonne und die anderen Sterne bewegt. Jedes Liebesempfinden oder Mitgefühl und Fürsorgegefühl ist ein Zugang zu dieser außerordentlichen Fähigkeit und Kraft der Liebe, diesem ganz außerordentlichen Antrieb des Universums, als einem GEIST, der zum GEIST zurückkehrt. Das ist das Wesen der Liebe. Das ist das, was Liebe macht, sie ist eine der bedeutendsten Emotionen, die Menschen haben können. Es ist daher wichtig für uns Liebe zu fühlen und zu erleben, speziell in ihren höheren Formen des Überfließens. Das Fühlen von Liebe ereignet sich oft in Beziehungen, doch meistens beginnen wir unsere Beziehungen aus Mangelbedürfnissen heraus. Die frühen Formen von Liebe sind nicht annähernd so erfüllend wie die der Überfülle und bestehen aus Ärger, Schuld, Vorwürfen, Urteilen, Negativität usw. – alles in der einen oder anderen Weise Ausdrücke eines frustrierten Verlangens nach Einheit. Der Partner oder die Partnerin verhält sich nicht entsprechend der Einheit, die man sich vorstellt. Das führt zu den genannten Frustrationen. Doch selbst diese Ausdrucksformen gäbe es nicht, wenn all dem nicht die LIEBE zugrunde liegen würde. Man kann auf diese Weise das Positive auch in diesen negativen Ausprägungen von Liebe erkennen. Tut man dies und fühlt man die Liebe, dann verbindet man sich wieder mit dieser metaphysischen Kraft, einer Kraft, die sich als Liebe gut anfühlt. Man verbindet sich dadurch nicht nur mit dem Partner, sondern mit dem GEIST der gesamten manifesten Welt, dem Streben der gesamten manifesten Welt zu wachsen, sich zu entwickeln und zu erwachen. Das ist ein sehr kraftvolles Gefühl, ein Gefühl, nach dem die Menschen so sehr streben, verständlicherweise, doch es ist wichtig, dies im richtigen Kontext zu betrachten und nicht nur ein personalistisches Gefühl daraus zu machen. Es ist in Wahrheit die Öffnung oder Lichtung im eigenen Herzen, in die der Geist des Eros sich ergießt.