Aus: Ken Wilber.com, Right Bucks
Der Dharma ist frei. Niemand sollte Geld für die Lehre oder Übermittlung des Dharma verlangen. Dharma, der mit Geld in Berührung kommt, ist kein Dharma. Der Verkauf des Dharma ist die Wurzel allen Übels. Den Dharma allen Suchenden frei und ohne Geld dafür zu verlangen zur Verfügung stellen ist rein, nobel und eine respektvolle Haltung.
So oder so ähnlich geht der merkwürdige Antagonismus zwischen Dharma und Dollars.
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Das eigentliche Thema ist nicht die Frage, ob Dharma und Dollars sich jemals begegnen sollten (natürlich sollten sie das), sondern wie wir den Dharma denjenigen zur Verfügung stellen können, die ihn sich nicht leisten können. Wir bringen das Thema damit konkret „auf die Erde“ und können die Fragestellung dabei gleichzeitig auf alle Waren und Leistungen erweitern – der Dharma spielt hierbei keine Sonderrolle.
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Es lassen sich unterschiedliche Aktivitäten geldlich differenziert organisieren. Einige Lehrer beispielsweise halten Vorträge, zu denen jeder kommen kann, ohne Geld dafür zu verlangen. Interessierte können sich dann zu Einzelgesprächen oder Gruppenveranstaltungen, die Geld kosten, eintragen. Auch diese Preise können wieder nach einer gleitenden Skala dem Einkommen entsprechend gestaffelt sein, wenn die Umstände das zulassen. Gleichzeitig kann die Teilnahme für ernsthaft Interessierte mit wenig Geld möglich gemacht werden, jedoch nicht weil der Dharma vom Geld unberührt bleiben sollte, sondern als ein fröhliches Zugeständnis für diejenigen, die wenig Geld haben.
Ein Dharma jedoch, der angeblich „frei“ ist (als ein Zeichen seiner „Reinheit“), was nichts anderes bedeutet, als dass dies ein billiger Dharma ist, überbringt die unmissverständliche Botschaft, dass der Dharma nichts wert ist und dass man selbst ebenso wertlos werden kann, wenn man nur intensiv genug praktiziert. Ebenso wird dabei die Botschaft ausgesandt, dass der Dharma keinerlei Verantwortung übernimmt für den Beziehungsaustausch im grobstofflichen Bereich und dass man selbst diesbezüglich ebenso unverantwortlich werden kann, wenn man sich diesem Dharma zuwendet. Es wird die Botschaft vermittelt, dass „Befreiung“ und „Inkompetenz im Grobstofflichen“ identisch sind.
Das Schlimmste dabei ist eine um sich greifende Heuchelei: Weil der grobstoffliche beziehungsorientierte Austausch in jedem Fall unvermeidlich ist, muss Geld aus anderen Quellen geschöpft und mit anderen Namen belegt werden. Ein permanentes Umschmeicheln reicher Geldgeber; unterwürfige Hinweise auf einen „reinen“ Dharma, der sich nicht mit schnödem Mammon besudelt; herabwürdigende Lehren und Lehrer für eine “Reinheit“, die sich vor den Anforderungen der wirklichen Welt schämt und versteckt – die sich demütig abwendet von der Strenge finanzieller Gradlinigkeit und das Ganze dann noch als „frei“ und „rein“ bezeichnet.
Es gibt begnadete Dharma Lehrer mit über 20 Jahren Erfahrung und Weisheit – durch deren Lehren ihren Studenten sehr viel Zeit und Geld (und Leiden) erspart bleibt – die, wenn sie fünf Dollar für ihre Ausgaben verlangen, mit den Zähnen knirschen, ihr Gesicht zu einer Grimasse verziehen und sich generell unwohl fühlen.
Dies ist keine Transzendenz, dies ist ein jämmerlicher, schuldbeladener Puritanismus. Die Leere wird weder dich noch mich noch irgendjemand anderen von der Verpflichtung angemessener Austauschbeziehungen in der manifesten Welt befreien. Weniger verhaftet zu sein am Geld bedeutet nicht, dass man weniger Geld hat, dies wäre zu simpel gedacht. Weniger verhaftet meint nicht „Finger weg“. Es bedeutet ein würdevolles Berühren und nicht ein zu-Tode-Quetschen.
Wir werden den Dharma – stoßend und ziehend – in die moderne und postmoderne Welt nur dann hinüberziehen können, wenn jeder einzelne dieser „Anti“-Standpunkte (Geld, Nahrung, Sex, Körper, Erde, Frauen) gleichzeitig attackiert wird: Sie stehen und fallen gemeinsam.
Es ist Zeit mit dem billigen Dharma aufzuhören; es ist Zeit, damit aufzuhören zu sagen, dass der Dharma nichts wert sei; es ist Zeit, damit aufzuhören zu sagen, dass ein guter Praktizierender weder Geld noch Ahnung hat. Es ist Zeit, sich im manifesten Bereich mit angemessenen Austauschbeziehungen zu begegnen – von Geld über Nahrung, Sex zu Körper und Erde –, um anzuerkennen, wie Plotin es formulierte, dass diese Erde und alle ihre Bewohner zu gesegneten Wesen werden und jedes Ereignis durch eine würdevolle Berührung geheiligt wird und nicht durch Ekel zu desinfizieren ist.