Ken Wilber
Aus: Return to the Heart of Christ Consciousness, How do we include social justice in our world?, 2015
Soziale Gerechtigkeit ist sehr, sehr wichtig. Es gibt eine erste Stufe, wo wir in Kontakt kommen mit dem Seinsgrund. Der Seinsgrund erschuf sowohl das Gute als auch das Böse. Doch sind wir damit erst einmal in Berührung gekommen, dann ist es in der relativen Welt so – schon Buddha sagte, tue Gutes, vermeide Böses –, dass es hier darum geht daran zu arbeiten, dass die Dinge besser werden. Das ist wirklich wichtig. So viele Menschen sind nicht zum Seinsgrund erwacht und selbst für diejenigen, die dazu erwacht sind und gefangen und gefoltert werden, geschlagen werden, verhungern – ist das entsetzlich. Was wir erkennen ist, dass zu einem Teil, auch durch den liebenden Druck, den der Seinsgrund ausübt, wir uns aufmachen und versuchen, Dinge zum Besseren zu wenden. Oft ist es so, dass je mehr man in Berührung mit diesem liebenden Seinsgrund kommt, desto stärker das eigene Verlangen wird, dies in die Welt zu bringen. In der manifesten Welt wird es immer etwas geben, was nicht in Ordnung ist. Wenn es zu 100% vollkommen wäre, dann wäre das der vollkommene Seinsgrund. Keine Probleme, keine Sorgen, kein Schmerz, kein Leiden – doch irgendetwas davon gibt es immer. Es gibt also immer eine Aufgabe für christliche Wohltätigkeit. Es gibt immer eine Aufgabe für einen buddhistischen Bodhisattwa – und das gibt es in allen Religionen. Auch mit der vollkommenen Verwirklichung gibt es immer ganz konkret persönlich etwas zu tun, was die Dinge besser macht. Das ist ein Aufgefordertsein – für einen Bodhisattwa gibt es kein vollkommen erleuchtetes Gewahrsein, es sei denn, es wurde das Versprechen abgelegt, anderen dabei zu helfen das erleuchtete Gewahrsein selbst zu erlangen. Das ist das Bodhisattwa-Gelübde. Es ist der christlichen Caritas ähnlich und entspricht der Wohltätigkeit. Man verpflichtet sich selbst Gutes zu tun als Handlungen aus Wohltätigkeit, Freundlichkeit und Liebe. Hat man sich dazu nicht innerlich verpflichtet, gibt es auch kein Erwachen als ein Geburtsrecht.
Spirituelle Gerechtigkeit ist unglaublich wichtig. Wo wir aufpassen müssen ist, wenn Menschen diesbezüglich handeln ohne zum Seinsgrund erwacht zu sein. Das kann sehr problematisch sein. Gary Snider, ein Zen-Schüler und leidenschaftlicher Umweltaktivist hatte dazu etwas sehr Interessantes gesagt. Er sagte, an der Lösung ökologischer Probleme sollten nur diejenigen arbeiten, die erkannt haben, dass dies nicht notwendig ist. Er ist im Kontakt mit diesem reinen, hundertprozentigen alles-ist-vollkommen-in-Ordnung Erleben. Doch dann geht er hinaus und tut, was er kann, das ist auch sein Versprechen. Doch weil er auch die hundertprozentige Vollkommenheit geschmeckt hat, erkennt er, dass es nicht notwendig ist dies zu tun – und daher tut er es, als ein Teil seines Versprechens.
Wie immer gibt es ein Paradox im Zusammenhang mit dem GEIST. Hat man etwas, was alles umfasst, wie GEIST, dann verfängt man sich automatisch mit allem, was man sagt. Sagt man, „dass ist nicht in Ordnung“, dann ist es als ein Teil des GEISTES letztlich doch in Ordnung. Soziale Gerechtigkeit ist unglaublich wichtig. Versucht dabei zuerst, mit dem Seinsgrund in Kontakt zu kommen.