eine Besprechung von Michael Habecker
Lektion 3 Zonen
Durch die zusätzliche Unterscheidung von innen und außen (zusätzlich zu innerlich/äußerlich und individuell/kollektiv) gelangt man zu den Zonen. Macht man diese Unterscheidung in jedem der Quadranten, erhält man acht Zonen, als das Innen und das Außen eines individuellen Holons in jedem der Quadranten/Dimensionen.
„ ... wenn wir uns die Literatur zu jedem der vier Quadranten ansehen, fällt auf, dass sie alle eine Oberflächen- und eine Tiefen-Dimension aufweisen ... Fangen wir an mit der Grobeiteilung in rechte und linke Seite (um dann später noch die Unterteilung in oben und unten oder individuell und sozial vorzunehmen):Das auf diesen Ideen von Oberflächen- und Tiefenhermeneutik aufbauende Konzept der Zonen erschien dann erstmals in den Exzerpten des zweiten Bandes der Kosmos Trilogie. (Siehe dazu http://integrallife.com/learn/-deep-end/writings-ken-wilber-essays-forewords-and-works-progress). Dabei wurden die acht Zonen bei ihrer ersten Präsentation jeweils zu Paaren zusammengefasst, zu den Zonen 1 – 4. Zone 1 war bei dieser ersten Präsentation das Innen des Innerlichen (individuell und kollektiv), Zone 2 das Außen des Innerlichen (individuell und kollektiv), Zone 3 das Innen der Äußeren, (individuell und kollektiv), und Zone 4 das Außen des Äußeren (individuell und kollektiv). (Dieser Ansatz von vier Bereichen, die jeweils vom Inneren des Innerlichen bis zum Äußeren des Äußerlichen reichen, wird übrigens auch von Michael Habecker und Sonja Student in ihrem Buch „Wissen, Weisheit, Wirklichkeit“ im Vergleich von Geisteswissenschaft (Geist als Inhalt und Geist als Struktur – jeweils individuell und kollektiv) und Naturwissenschaften (Materie in Selbstorganisation und Materie als Materie – jeweils individuell und kollektiv) aufgegriffen und mit Wilbers aktuellem 8 Zonen-Modell zusammengeführt).
Hermeneutik (linke Seite) und Strukturalismus/Funktionalismus (rechte Seite) erkennen beide sowohl Oberfläche als auch Tiefe (oder Manifestes und Latentes), wobei erstere größtenteils bewusst und letztere größtenteils unbewusst ist (wenngleich das Unbewusste oder Verborgene oder Latente durch spezielle Mittel zu Bewusstsein gebracht werden kann).
Das Verhältnis von Oberflächen- und Tiefeninterpretation hat Heidegger (in Abschnitt I und II von Sein und Zeit) besonders sorgfältig herausgearbeitet. Eine Oberflächeninterpretation ist den Eingeborenen einer Kultur in ihrem Alltagsleben nicht unbedingt voll bewusst, doch weist man sie darauf hin, so erkennen und bestätigen sie solche Interpretationen in aller Regel. Die Aussagen solch einer „Hermeneutik des Alltags“ sind irgendwie (bewusst oder vorbewusst) bekannt, aber nicht unbedingt artikuliert, und in der Oberflächenschicht der Hermeneutik geht es darum, solche gemeinsamen Interpretationen zu artikulieren ... Tiefenhermeneutik dagegen versucht unter die Oberflächeninterpretationen der Alltagshermeneutik zu dringen, weil sie argwöhnt, dass unser Alltagsverständnis vielleicht gänzlich verzerrt oder einseitig oder irregeführt ist ... Die „Hermeneutik des Argwohns“, wie Riceur solche Ansätze nannte, will daher unter die Oberfläche dringen und die tieferen interpretativen Wahrheiten und Bedeutungen bloßlegen. Und da stieß man in der Tat auf alle möglichen Tiefenwahrheiten: die Freudsche Libido und der marxistische Klassenkampf, Heideggers Grundlosigkeit, Gadamers traditionsgetragenes Sein, Nietzsches Macht und so weiter. All das liegt nicht nur unter den Oberflächeninterpretationen, sondern wird mehr oder weniger gezielt von ihnen verdeckt und bleibt daher in der Regel tief verborgen und unbewusst – es besteht eine Art psychische Schmerzschranke oder Verdrängungsschranke, die beunruhigende Wahrheiten gegen das Bewusstsein abschirmt, und diese Schranke zu überschreiten ist schwierig und schmerzhaft ...
Doch auch dann bleibt die Tiefenhermeneutik noch eine heikle Angelegenheit, denn viele der „tieferen Wahrheiten“, die der Menschheit bisher ans Herz gelegt wurden, erwiesen sich als tiefe Ideologien und Voreingenommenheiten, einzig darauf angelegt, das Denken anderer so zu verbiegen, dass es den eigenen Machtgelüsten konform wird.“
Innerlich und Äußerlich
Innerlich bezieht sich auf jedes Ereignis oder Holon in den linksseitigen Quadranten. Äußerlich bezieht sich auf jedes Ereignis in den rechtsseitigen Quadranten.Innen und Außen
Innen und außen beziehen sich auf das Innen und Außen eines jeglichen Ereignisses. Ein Holon in einem jeden der Dimensionen/Quadranten hat ein Innen und ein Außen. Dadurch erhalten wir acht ursprüngliche Perspektiven, die das Innen und das Außen der vier Quadranten aufzeigen.a) Zonen als Perspektiven betrachtet durch die Blickrichtung der Theorie und
b) Zonen als Perspektiven in Anwendung
Lernweg Theorie
Zone 1 und 2
- Telepathie
- Ein transzendentes Selbst, das das Innerliche aller Holons „bewohnt“
- Harmonische Empathie, als eine nicht-reflektive Resonanz mit einem anderen Holon auf gleicher Erfahrungstiefe, analog einer musikalischen Resonanz
- ich kann mich fröhlich erleben (Zone 1), doch andere erleben mich ängstlich (Zone 2).
- mentale Objekte wie Traumbilder, die außerhalb des proximalen Ichs sind – „ich kann sie sehen“
- eigene unbewusste Prozesse, Subpersönlichkeiten und Schattenelemente, die sich auch alle im Innerlichen befinden, jedoch außerhalb der Ich-Grenze.
Zone 5 und 6
Zone 5 ist das Innen eines Es, eines individuellen Organismus. Eine Sicht einer ersten Person auf eine Dimension einer dritten Person. Wir sehen dort alle Holons, aus denen wir zusammengesetzt sind, und die uns physisch ausmachen – Zellen, Moleküle, Organe usw. Doch es geht bei dieser Zone nicht nur um unsere Einzelteile, sondern um die inneren Entscheidungen die ein individueller Organismus trifft in seiner aktiven Interaktion mit seiner Umwelt und der Teilnahme an ihr. Dies ist eine autopoietische Perspektive. Es sind die Arten von Reaktionen, Verhalten und biologischer (im Unterschied zu psychologischer) „Kognitionen“, die ein Organismus tut oder wählt, in seiner Hervorbringung und Reaktion auf seine Welt.Intern und extern im OR
Zone 3 und Zone 4
Zone 3 bedeutet, „was bedeutet es in einem Wir zu sein?“ Eine Wir-Grenze kann nicht gesehen, aber gefühlt werden. Beispiel Freundeskreis. Was Menschen zu einem Wir verbindet, sind gleiche oder ähnliche Werte, eine gemeinsame Sprache, eine gemeinsame Vergangenheit von Austauschbeziehungen. Zone 3 zeigt uns die unterschiedlichen Wirs, in denen wir Mitglieder sind. Dieses Wir reicht von einem Gespräch mit einem Fremden auf der Strasse, wo die gemeinsame Sprache verbindet, bis hin zu einer tiefen Liebesbeziehung. Es kommt dabei nicht auf Übereinstimmung z.B. der Meinungen an, sondern um ein Maß an geteilter Innerlichkeit. Dieses Wir kann von den Beteiligten nur gemeinsam gestaltet werden. Die Interaktion mit einem Menschen verwandelt ein Es oder Er oder Sie in ein Du.- Die stattfindenden intersubjektiven Austauschbeziehungen oder Transaktionen ihrer Mitglieder
- Die Muster, Strukturen oder Gewohnheiten welche diese Austauschbeziehungen steuern
- Die Vergangenheit und Entwicklung dieser Austauschbeziehungen
- Was fällt dir auf?
- Welche gemeinschaftlich geteilten Bedeutungen gibt es?
- Welche Art von Resonanz fühlst du?
- Woran glauben die TeilnehmerInnen?
- Gibt es eine gemeinschaftliche Vision und worin besteht diese?
- Welche Art von unsichtbarer Verbindung besteht zwischen den TeilnehmerInnen?
- Wie verhält sich die Gruppe (z. B. nach der Störung)?
- Wie ändern sich die Austauschbeziehungen?
- Was haben sie gemeinsam?
- Wo gibt es Übereinstimmung und Resonanz und wo nicht?
- Wie sind die Machtdynamiken in der Gruppe?
- Auf wen wird gehört und auf wen nicht?
- Wessen Perspektiven werden mehr als die von anderen abgewiesen bzw. marginalisiert?
- Welche Strukturen und Muster bestimmen die Gruppe?
- Wie sehen diese Codes und Strukturen aus, und wie können sie beschrieben werden?
- Wie äußern sich diese Codes und wie werden sie sichtbar?
- Wie müsste ein Individuum denken oder sich verhalten, um ein Mitglied dieser Gruppe sein zu können?
- Welches Verhalten führt dazu, dass jemand aus dieser Gruppe herausfällt? Was wäre ein externes Verhalten gegenüber der Gruppe, das jemandem zu einem Außenseiter macht?
- Welches sind die unsichtbaren Regeln, welche die Gruppe steuern und sie zusammenhalten?
Zone 7 und Zone 8
Alle sozialen Holons bestehen aus den UL und UR Austauschbeziehungen ihrer Mitglieder. Die Zonen 7 und 8 zeigen uns die Innen- und die Außenansicht der gemeinschaftlichen äußerlichen Dimensionen, ohne die es die innerlichen Dimensionen nicht gäbe. Zone 7 zeigt das gemeinschaftliche Äußerliche der Mitglieder eines Wir, ihr gemeinschaftliches Verhalten. Im Unterschied zu Zone 3, wo gemeinschaftliche Werte und Intentionen ausgetauscht werden, werden hier materielle Artefakte über systemische Verbindungen ausgetauscht. Die Austauschbeziehungen der Mitglieder eines Wir, gesehen durch die Zone 7 Perspektive, sind die materiellen Signifikanten, d.h. Zeichen oder Kommunikationen. Die Zone 7 zeigt uns, was diese Kommunikationen ausmacht (der Inhalt spielt dabei weniger eine Rolle), und wie sie die Mitgliedschaft eines Mitglieds in der Gruppe definiert. Dieser Vorgang wird als „soziale Autopoiese“ bezeichnet, als etwas, was soziale Einheiten schafft und aufrechterhält.- Worum geht (ging) es bei diesem E-Mail Austausch?
- Geht es darum etwas zu erreichen oder zu entscheiden?
- In welcher Beziehung steht dieser Austausch zu anderen Systemen?
- Von welcher Art ist dieser Austausch?
- Wird das gelesen und wird sich darauf bezogen, was andere schreiben?
- Ist bei den Interaktionen ein „funktionales Passen“ zu erkennen?
- Lassen sich bestimmte „Codes“ dieses sozialen Holons erkennen?
- Welche Art von Druck übt dieser Code auf das Verhalten der Mitglieder des sozialen Holons aus?
- Welche Art von Bedeutung wolltest du vermitteln? Wurde dies aufgenommen?
- Wie hat dein Verhalten – was du geschrieben hast, wie du es geschrieben hast, wie du dich auf andere bezogen hast, wen du im Verteiler einbezogen hast – die Aufnahme deiner Mails unterstützt?
- War deine Kommunikation intern in Bezug auf die Nexus-Agenz dieses sozialen Holons?
- Wie ist das bei den anderen, war ihre Kommunikation intern?
- Wenn nicht, kannst du die Gründe dafür nennen?
- Welche Inhalte wurden falsch oder nur teilweise in diesem E-Mailaustausch verstanden?
- Welche Auswirkungen hatte das darauf, ob eine Kommunikation intern oder extern war?
- Kannst du die Grenze dieses sozialen Holons feststellen, mit einer Angabe von Innen und Außen? (Das ist schwierig, weil diese Grenze sich laufend verändert, entsprechend den Interaktionen, die miteinander und gegeneinander laufen.)
- Bei Betrachtung dieser Schwierigkeiten, würdest du bei deiner nächsten Kommunikation etwas anders machen?
- Worum geht es dir eigentlich bei diesem Austausch? Möchtest du klar verstanden werden, mit Schnittstellen deiner Kommunikation zu allen anderen, so dass jeder ein Mitglied des sozialen Holons sein kann?
- Was kannst du tun, damit dies geschieht?
Lernweg Anwendung
Um die Inhalte des Lernwegs „Theorie“ anschaulich zu machen, werden die acht Zonen, als unterschiedliche, aber gleichermaßen wirkliche und reale phänomenologische Wirklichkeiten, hervorgebracht durch unterschiedliche ursprüngliche Perspektiven, ausführlich in 4 „Rundreisen“ durch die Zonen erläutert. Erneut wird viel Information in kurzer Zeit entfaltet, und die Pausentaste und die „rewind“ Funktion werden zu wichtigen Hilfsmitteln zur Steuerung der eigenen Lerngeschwindigkeit.- Subjekt versus Objekt
- Individuelle und soziale Holons
- die vier Quadranten
- Innerlich versus äußerlich
- Intern versus extern
- Ebenen von Entwicklung
Eine interaktive Zusammenfassung bildet den Abschluss der Lektion 3. Dieser Kursteil bildet die Grundlage für das Verständnis der Zonen als Perspektiven. Im nächsten Kursteil werden die einzelnen Zonen als Methoden vorgestellt und in ihren historischen Kontext gestellt, als die philosophische Grundlage, auf welcher der IMP ruht.
(aus: Online-Journal Nr. 30)