Von vier Quadranten zu acht Zonen
Wenn man ein Holon ‚in’[1] einem der vier Quadranten betrachtet, dann kann man darauf eine Innen- oder eine Außen-Perspektive einnehmen („inside“ / „outside“).Dies ergibt eine weitere Differenzierung in 4 x 2 = 8 Felder. „Ich“, „Wir“, „Es“ und „Esse“ (Es, plural) können von innerhalb oder von außerhalb ihrer Grenzen betrachtet werden.
In semantischer Hinsicht reserviert Wilber für den Begriff „interior“ („innerlich“) die Bedeutung: ‚unsichtbar, ohne einfachen Ort, in der linken Hälfte des Quadrantenmodells befindlich’,während „inside“ („innen“ oder „innerhalb“) meint: ‚innerhalb der Grenze eines Holons befindlich – unabhängig davon, ob ein innerliches oder ein äußerliches Holon betrachtet wird’. „Exterior“ („äußerlich“) bedeutet dann entsprechend: ‚sichtbar, mit einem einfachen Ort (auf den man zeigen kann), in der rechten Hälfte der Quadrantenmodells befindlich’, während „outside“ bedeutet: ‚außerhalb der Grenze eines bestimmten Holons befindlich – ebenfalls unabhängig davon, ob ein innerliches oder ein äußerliches Holon betrachtet wird’. Die Unterscheidung „internal“ / „external“ ( „intern“ / “extern“) bezieht sich auf die Frage, ob ein Holon dem Regime eines übergeordneten Holons folgt, oder nicht. So sind z.B. die Atome, Moleküle und Zellen meinem Körper “intern“ und folgen meinem Regime, d.h. meinem Willen, z.B. meinen Arm zu heben. Verschlucke ich hingegen einen Stein, so ist dieser zwar „in“ („inside“) meinem Körper, ist meinem Organismus jedoch „extern“(„external“) und folgt nicht meinem Willen. Wenn man nun meinen Verdauungstrakt röntgt, bekommt man eine „äußerliche“ („exterior“) Sicht auf meinen Bauch. Das verrät dem Arzt aber nicht, wie es sich für mich „innerlich“ („interior“) oder phänomenologisch anfühlt, einen Stein im Magen zu haben. Das eine ist physisch sichtbar, das andere ist gefühlt und unsichtbar. Tabelle 1 ist eine Zusammenfassung der Terminologie zur besseren Übersicht:
Englisch |
Deutsch |
Bedeutung |
interior exterior |
innerlich äußerlich |
bezogen auf die linke bzw. rechte Hälfte des Quadrantenmodells; unsichtbar / sichtbar |
inside outside |
innen außen |
innerhalb oder außerhalb der Grenzen eines Holons befindlich (egal in welchem Quadranten) |
internal external |
intern extern |
intern: Junior-Holon, das dem Regime des Senior-Holons folgt (z.B. Atome - Moleküle - Zellen - Organismus) extern: nicht dem Regime dieses Senior-Holons folgend |
Tab.: Ken Wilbers terminologische Differenzierungen
Wilber nennt die acht Felder, die sich ergeben, wenn man die Unterscheidung „inside“ / „outside“ auf die vier Quadranten anwendet, auch die „acht ursprünglichen Perspektiven“. Er schreibt dazu:
Far from being some abstract systematization, these 8 native perspectives turn out to be the phenomenological spaces from which most of the major forms of human inquiry have been launched. [2]
Each view or perspective, with its actions and injunctions, brings forth a world of phenomena; a worldspace that (tetra-)arises as a result, worldspace with a horizon. The sum total of all of that we simply call a hori-zone, or zone for short.[3]
Die acht Zonen ergeben zusammen ein „integrales Kalkül der ursprünglichen Perspektiven“[4] denen er u.a. auch Pronomen und wissenschaftliche Methodologien zuordnet. Die in der folgenden Darstellung (Abb.8) gewählten Methodologien stehen stellvertretend für acht große methodologische Familien. Zwecks einfacherer Identifizierung nummeriert Wilber die Zonen wie inAbb. 9.
Da Wilber für dieses „Kalkül“ der Perspektiven tatsächlich eine eigenständige Notationsform entwickelt hat (eine „integrale Mathematik“[5]), ist es hilfreich, sich mit den Bedeutungen der einzelnen Terme vertraut zu machen, die ihm zur späteren Systematisierung und Charakterisierung der Methodologien dienen. Die Elemente sind insbesondere Abkürzungen für tatsächliche aber nichtspezifische 1.,2. und 3. Personen: „1p“, „2p“, „3p“; mit dem Zusatz „*pl“ wird die Pluralform indiziert. Ferner gibt es Terme für Sichtweisen, oder Arten diese1.,2.und 3. Personen zu betrachten: „1-p“ (mit Bindestrich) bezeichnet einen 1.Person-Zugang zu einem Phänomen, oder ein ‚Wissen durch unmittelbares Vertrautsein’, während „3-p“ einen 3.Person-Zugang denotiert, gleichsam ein ‚Wissen durch Betrachtung aus der Entfernung’.[6] Diese Terme verbindet Wilber durch verschiedene Operatoren, darunter „x“ – eine Kombination von Perspektiven – und „=“, was soviel heißt wie ‚gegenseitige Resonanz’, bzw. ‚gegenseitiges Verständnis’. Klammern „( )“ sorgen für die Zusammenfassung von Termen. Beispiele für diese Notationen folgen in den Beschreibungen der einzelnen Zonen. Dieses Thema ist komplex und führt leicht zu unnötiger Verwirrung – insbesondere, wenn man kein Freund von Mathematik ist. Nichtsdestotrotz ist die Systematik der Perspektiven, die durch dieses begriffliche Notationsinstrumentarium detailliert beschrieben und entfaltet werden kann, der sprichwörtliche ‚rote Faden’, der für Wilber die Bezeichnung „integraler methodologischer Pluralismus“ rechtfertigt – im Gegensatz zu einem „bloßen Pluralismus“ unverbunden nebeneinander stehender Methodologien. Im Folgenden mache ich einen Durchlauf durch die acht Familien von Methodologien, die Wilber nennt, zusammen mit der jeweiligen Kombination der Perspektiven. Es versteht sich, dass diese Darstellung keinen Anspruch auf Vollständigkeit im Detail erheben kann. Sie dient lediglich als Überblick, und um einen Geschmack von der Vielfalt und Meta-Systematik der berücksichtigten Methodologien zu bekommen.
[1] Technisch gesehen sind Holons nicht ‚in’ den Quadranten, sondern ‚haben’ vier Quadranten, vgl. Wilbers Sprachregelung in Wilber, Excerpt C, S.159, Fn.4. (PDF).
[2] Siehe Ken Wilber, Excerpt C, S.7 (PDF).
[3] Siehe Ken Wilber, Integral Spirituality, S. 38.
[4] Siehe Ken Wilber, Excerpt C, S.8 (PDF).
[5] Siehe Ken Wilber, Excerpt C, Appendix B, An Integral Mathematics of Primordial Perspectives, S.134ff.
[6] Vgl. Ken Wilber, Excerpt C, S.84.