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Auf Anregung von Gil Ducommun, Autor des Buches „Nach dem Kapitalismus“, trafen sich ab Juni 2005 zehn Frauen und zehn Männer zu regelmässigen Wochenend-Workshops, um eine neue, vom integralen Gedankengut getragene Partei zu gründen.

Als Grund dafür wurden im Ursprungs-Dokument drei Problemfelder angeführt:

  • Ein soziales: Armut, Arbeitslosigkeit und Angst
  • Ein ökologisches: Zerstörung der Lebensgrundlagen
  • Ein psychisch-existenzielles: Mangel an ethischen Werten und in Folge Krankheit und Verlust der Lebensqualität

Dabei gingen sie von einer doppelten Bedeutung des Begriffs „integral“ aus: erstens, als einer neuen historischen, psychologischen und politischen Kulturepoche im Sinne von Jean Gebser, und zweitens, als einer neuen Art der individuellen Lebensführung, die gekennzeichnet ist durch eine authentische Lebenshaltung und eine Selbstentwicklung, welche die vier Seinsebenen des Menschen integriert, die instinktive, die emotionale, die rationale und die intuitiv-spirituelle Ebene.

Dies war neben der Vision einer integralen Gesellschaft ein starker Antrieb für die Gruppe, da es keine andere Partei gab – und gibt –, die das Geistige und das Spirituelle explizit in ihre Arbeit mit einbezieht. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal war und ist, dass Integrale Politik „aus der Fülle“ verbessern und nicht einen Mangel beheben will. Integrale Politik ist visionsorientiert.

Diese zwei Merkmale haben sich mit der „Anleitung zur integralen Beurteilung politischer Vorlagen“, der sogenannten Integralisierungsmethode konkretisiert:

  • Um eine politische Vorlage ganzheitlich zu beurteilen nützt es wenig, einfach Argumente auszutauschen und den andern vom Gewicht der eigenen Meinung zu überzeugen. Nötig ist das Beleuchten einer politischen Fragestellung aus den vier genannten Perspektiven. Daher wird bei der Integralisierungsmethode zuerst der Ist-Zustand nach den Regeln des Brainstormings analysiert. Alle Äusserungen sind erlaubt und bleiben unwidersprochen. Keine Äusserung wird beurteilt oder kommentiert. Neben dem Sammeln von offensichtlichen Tatsachen, Fakten und Argumenten werden auch versteckte Tatsachen und Absichten eruiert. Dabei werden körperliche Wahrnehmungen und Gefühle ebenso beachtet.
  • Anschliessend wird mit Hilfe einer Meditation intuitiv eine Vision zum Thema empfangen. Das Resultat ist ein Bild, wie mit dem Thema der politischen Fragestellung in einer integralen Gesellschaft umgegangen wird (Soll-Zustand).
  • Die Ist-Analyse der politischen Problemstellung wird nun dem Bild des Soll-Zustands gegenübergestellt. Daraus lässt sich ableiten, ob einer politischen Vorlage zugestimmt werden soll (wenn sie in die Richtung der Vision weist) oder nicht (https://integrale-politik.ch/ueber-uns/).

Die Visionsorientierung dieser Methode ist zentral. Leitet man nämlich Verbesserungen aus einem Mangelzustand ab, weiss man nicht, ob man in die richtige Richtung geht.

Nach zwei Jahren intensiver Arbeit waren dann 2007 die „Grundlagen“ geboren – eine über 50-seitige Broschüre, die Auskunft darüber gab, wie die Kerngruppe sich die wichtigsten Gesellschaftsbereiche in einer anzustrebenden integralen Gesellschaft vorstellte. Der Verein „Integrale Politik“ (IP) konnte gegründet werden

Die Zahl der Mitglieder stieg zu Beginn, doch die Grundidee verflachte. Die Transformation des Einzelnen wurde so stark in den Vordergrund gestellt, dass das politische Anliegen zurückblieb. Viele der Mitglieder waren am integralen Gedankengut interessiert, politische Erfahrung und politischen Willen hatten wenige. So kam es 2011 zu einer Diskussion über die Ausrichtung der „Integralen Politik“. Resultat war, dass sie als „Partei und Bewegung“ definiert wurde, ein Kompromiss, der nun viele Möglichkeiten offen liess.

Dennoch war von Beginn an ein „politisches Projekt“ sehr erfolgreich – und ist es bis heute –, nämlich die regelmässige Veröffentlichung von Abstimmungsempfehlungen, des sogenannten „Politischen Kommentars“ zu den Vorlagen der eidgenössischen Abstimmungen. Der Politische Kommentar wird jeweils von einer Gruppe von sechs bis acht Personen mittels der Integralisierungsmethode erarbeitet. Erstaunlich dabei ist, dass die Mitglieder dieser Gruppe vor dem Anwenden der Integralisierungsmethode oft völlig unterschiedlicher Meinung sind, was die politische Vorlage betrifft. Nach dem Durchführen der Methode – und insbesondere nach dem Finden einer gemeinsamen Vision, sind sich alle einig (mit ganz wenigen Ausnahmen).

Herausfordernd wird es, wenn die Abstimmungsempfehlung der Integralen Politik gleich lautet, wie diejenige von rechtsgerichteten Parteien – wenn auch aus anderen Gründen. (Ein typisches Beispiel dafür war die Initiative «Gegen Masseneinwanderung».) Es ist wichtig, dass die Empfänger der Abstimmungsempfehlung das integrale Zukunftsbild verstehen. Denn daraus leitet sich die unsere Empfehlung ab.

Ebenso erfolgreich war das mehrmals durchgeführte Vernetzungsprojekt „Besser Leben Festival“, das den „Bewegungs-Teil“ der Integralen Politik abdeckt. Die ganztägige Veranstaltung enthielt jeweils einen grossen Info-Markt mit Ausstellenden, die sich für ein bewussteres Leben einsetzen, sowie Vorträge von namhaften Persönlichkeiten. Ein besonderes Merkmal kennzeichnete diese Veranstaltungen, das wiederholt für positives Erstaunen bei den Besuchenden sorgte: Die Verpflegung fand immer in Form einer „Teilete“ statt: Jeder Festival-Gast bringt eine Speise für das gemeinsame Buffet mit und trägt so zu einer Kultur des Teilens bei.

Seit 2011 nimmt die Integrale Politik zudem regelmässig an nationalen, kantonalen und kommunalen Wahlen teil. Der Wähleranteil in den verschiedenen Kantonen bewegte sich dabei zwischen 0.3% und 1.6%, was teilweise enttäuschte, teilweise als beachtlich empfunden wurde. Die vielen positiven Erfahrungen zeigten jedoch, dass die Integrale Politik nicht nur ernstgenommen wird, sondern dass in der Bevölkerung auch eine Begeisterung und eine Sehnsucht für eine integrale Politik da ist.

Die Teilnahme an Wahlen führte zu einem Zuwachs an Mitgliedern – was höchst erfreulich ist und gleichzeitig die Schwachstellen der gewachsenen Organisation zum Vorschein bringt: Gewisse Strukturen müssen professionalisiert und Prozesse definiert werden, um wirksamer zu werden und dem Wachstum gewachsen zu sein. Daher befindet sich die Integrale Politik gerade in einem Prozess der Reorganisation, was – wie in Prozessen üblich – schmerzlich sein kann, wenn man realisiert, dass bisher gelebte Arbeitsmethoden nicht mehr funktionieren. Grundsätzlich ist die Stimmung jedoch zuversichtlich und wir blicken freudig unserem Ziel entgegen, eine massgebliche Kraft in der politischen Landschaft der Schweiz zu werden und die Werte der Integralen Politik noch breiter in der Gesellschaft zu verankern.

Denn unsere Vision ist und bleibt

…eine Gesellschaft, in der das Wohl aller Menschen, aller Tiere, aller Pflanzen und der ganzen Erde verwirklicht ist. Diese integrale Gesellschaft basiert auf einem gewandelten Bewusstsein der Menschen, die wissen, dass alles mit allem verbunden ist und dass genug für alle da ist. Die Menschen handeln aus einer konstruktiven, lebensbejahenden Verantwortung – aus der Intelligenz des Herzens.

 

Schwienbacher YvoneYvonne Schwienbacher ist Juristin und Co-Präsidentin der IP Schweiz. Als Mitglied der Geschäftsleitung ist sie zuständig für Organisation, Vernetzung und Moderation. Yvonne lebt als selbständige Trainerin für GFK, Kommunikation, Bewusstseinsentwicklung und Feng Shui in Luzern.

Kaiser WernerWerner Kaiser ist Theologe und Gründungsmitglied der IP. Er war Mitglied der IP-Kerngruppe und lebt in Thun. Werner ist Autor von „Integrale Politik. Neue Politik für eine neue Zeit“ (2011) und „Ist es naiv, an eine andere Politik zu glauben?“ (2019).

 

  

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